Keine weitere Bebauung in Forchheim Nord

Siedlungsklima schützen!

Was gegen die Bebauung spricht - Folge 1: Luftaustasch ist wichtig

Obwohl in den Planungshinweisen des Flächennutzungsplans auf die „erheblichen negativen Umweltauswirkungen“ einer weiteren Bebauung in Forchheim Nord hingewiesen wird, hält die Gemeinde an ihren Plänen für die Bebauung des Gebiets Kirchbühl fest. Auch die Pläne für eine weitere Bebauung auf der anderen, östlichen Seite der Karlsruher Straße, wo schon das „Messehotel“ unter fragwürdigen Umständen errichtet wurde, werden weiter aufrechterhalten.

Wir wollen in den nächsten Wochen einzelne negative Folgen dieser Bebauung darstellen, um zu erklären, warum wir die Planung ablehnen. Beginnen wollen wir dabei mit den häufig vernachlässigten Konsequenzen für das Stadtklima. Gerade in Anbetracht der aktuell bereits deutlich erkennbaren Folgen des Klimawandels, wächst die Bedeutung von offenen Flächen für den Luftaustausch in Siedlungsgebieten stetig. Untersuchungen zeigen, dass der Temperaturunterschied in Siedlungsbereichen während warmer Sommernächte bis zu sieben Grad Celsius betragen kann. Der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Land kann im Sommer sogar bis zu zehn Grad Celsius betragen. Die Bioklimatische Wirkung der noch vorhandenen Freiflächen in Forchheim Nord ist hoch. Es handelt sich um die letzte größere innerörtliche Offenfläche, in der die Luft frei zwischen der Hardt im Osten und der Rheinniederung im Westen fließen kann. Dabei ist vor allem der Bereich Kirchbühl wegen der Lage an der Gestadekante extrem wichtig. Die Bauleitplanung schreibt deshalb auch den Erhalt einer grünen West-Ost-Achse für das Gebiet vor. Aber selbst wenn diese planmäßig realisiert werden sollte, wird die Riegelwirkung der Bebauung deutlich spürbar sein, insbesondere in warmen Sommernächten.

Nach den Folgen für das lokale Klima, werden wir uns in der nächsten Folge den generellen Konsequenzen des Bauens für das globale Klima widmen.

Treibhausgasemissionen reduzieren!

Was gegen die Bebauung spricht Folge 2 - Baubranche verursacht 38 % des weltweiten CO2 Ausstoßes

Modernes Bauen wird oft als umweltfreundlich gepriesen. Tatsächlich gibt es heute Möglichkeiten, Häuser in Bezug auf ihren Betrieb, also das Heizen, Warmwasser, Strom oder Klimaanlagen effizient zu errichten. Aber selbst Passivhäuser benötigen Baustoffe, versiegeln Flächen und erzeugen Müll. In kaum einer anderen Branche ist die Recyclingquote geringer als in der Bauwirtschaft. Die Bauabfälle manchen mehr als die Hälfte des deutschen Müllaufkommens aus. Beim Bauen werden laut Umweltbundesamt alleine in Deutschland jährlich 517 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe verbraucht, darunter Kalk, Gipsstein, Kies und Sand. Inzwischen ist für den Bausektor verwendbarer Sand weltweit ein teurer und seltener Rohstoff. Besonders problematisch sind Zement und Beton, bei deren Herstellung enorme Mengen an CO2 freigesetzt wird. CO2 entsteht auch beim Transport von Materialien und Menschen zu Baustellen. Neubauten erfordern technische Infrastruktur wie Straßen und Leitungssysteme, bei deren Erstellung ebenfalls Treibhausgase freigesetzt werden.

Wir fordern von der Kommunalpolitik vor jedem Ausweis neuer Baugebiete zukünftig die Gesamtenergiebilanz (unter Einbeziehung der grauen Energie, also der Energie, die insgesamt bei der Herstellung der Gebäude entsteht) über den gesamten Lebenszyklus eines Baugebietes darzustellen. Neue Baugebiete sollten erst dann erschlossen werden, wenn alle Sanierungspotentiale nachweisbar ausgeschöpft sind und die Kompensation der Klimawirkung der Planung transparent und gesichert dargestellt ist. In Bezug auf den Flächenverbrauch muss zudem das Netto-Null Prinzip gelten, d. h. das Verhältnis von bebauter und unbebauter Fläche ist trotz weiterer Entwicklungen beizubehalten. Dem Flächenverbrauch wollen wir die nächste Folge widmen.

Folge 3: Fläche schützen!

Rekordverdächtiges Tempo beim Flächenverbrauch in Rheinstetten

Rheinstetten hat während der letzten Jahre beim Flächenverbrauch ein rekordverdächtiges Tempo vorgelegt. Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche Rheinstettens lag 2021 bei 23%. Damit liegt Rheinstetten deutlich über dem Landesdurchschnitt von 14,8%. Allein die Industrie- und Gewerbefläche hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt und ist von 65 ha auf 135 ha gewachsen. Unter Verweis auf die Lage in einem Verdichtungsraum kann man sicherlich auch versuchen, einen Zuwachse bei der Wohnbaufläche zu begründen. Betrachtet man allerdings das Ausmaß des Wachstums, ist dies allein dadurch sicher nicht zu rechtfertigen. Im Gegenteil - die Fläche für das Wohnen ist seit dem Jahr 2000 um 52 ha, entsprechend 25%, auf 258 ha gewachsen. Im gleichen Zeitraum stagnierte jedoch entgegen dem Landestrend die Bevölkerungszahl in Rheinstetten.  2021 lebten laut statistischem Landesamt 20.301 Menschen in Rheinstetten – 32 weniger als im Jahr 2000. Und obwohl allein zwischen 2010 und 2021 mehr als 500 neue Wohnungen in Rheinstetten entstanden, bleibt es offenbar für viele Familien nach wie vor schwer, bezahlbaren Wohnraum in Rheinstetten zu finden. Kurzum – irgendwas läuft schief in Rheinstetten und es scheint fast, als würde einfach nur planlos gegen einen befürchteten Rückgang der Bevölkerungszahl angebaut.

Die negativen Folgen der Flächenversiegelung werden dabei kaum beachtet. Zunächst steht da der direkte Verlust an landwirtschaftlicher Fläche und wertvollen Offenlandbiotopen. Lebensmittel wachsen allerdings nicht im Supermarkt, sondern müssen erzeugt werden. Durch unseren Flächenverbrauch gehen fruchtbare Böden verloren und werden nachhaltig verdichtet. Sie können keine Nährstoffe mehr aufnehmen und sie stehen nicht mehr als Lebensraum für Pflanzen und Tiere zur Verfügung – Flächenverbrauch ist einer der Hauptursache für das Insektensterben. Die Wasseraufnahme des Bodens wird unterbunden, langfristig steht weniger Grundwasser zur Verfügung bei gleichzeitig deutlich erhöhter Hochwassergefahr. Während weltweit viele Städte bereits jetzt versuchen, sich an die sich änderten Klimabedingungen anzupassen und im Rahmen von Schwammstadtkonzepten großflächige Entsiegelungsmaßnahmen durchführen, plant man in Rheinstetten weiter, als wäre endlos Fläche vorhanden.

Wie die Versiegelung in Forchheim Nord angrenzende Gebiete potentiell gefährdet, behandeln wir in der nächsten Folge.

Folge 4: Einzigartigkeit des Rheinbergwaldes erhalten!

Das geplante 4 Hektar große Baugebiet auf dem Kirchbühl grenzt am Gestadebruch an den Rheinbergwald am alten Federbach. Das Besondere an dieser Waldfläche ist ihre Ursprünglichkeit. Der dortige Baumbestand ist beindruckend. Bemerkenswert ist vor allem das Vorkommen der Flatter-Ulme (Ulmus laevis) (RL De: Vorwarnliste, RL BW (Entwurf): Vorwarnliste). An einigen Baumstämmen im Rheinberwald leben Urinsekten aus der Ordnung Archaeognatha, die sonst in keinem anderen Wald in Rheinstetten zu finden sind. Das reichliche Vorkommen an Totholz bietet Lebensraum für zahlreiche Arten und speichert Feuchtigkeit. Der Wald enthält zudem in der Rheinebene sonst nicht vorkommende Besonderheiten, wie z. B. ein Vorkommen des sonst nur in höheren Lagen wie dem Schwarzwald wachsenden Gelappten Schildfarns. Der Wald die ist einzige bekannte Stelle in Rheinstetten, in der Grundwassser aus dem Gestadebruch in Form von Sickerquelle(n) herausdrückt. In den Nassbereichen konnte unter anderem eine seltene Spitzmausart nachgewiesen werden. Auf den Sumpfflächen sind einzigartige Laufkäfer zu finden. Darunter der stark gefährdete Dunkle Uferläufer (Elaphrus uliginosus). Diese Art gilt in der Rheinebene eigentlich als ausgestorben oder verschollen und wurde zuletzt in den siebziger Jahren nachgewiesen. Auch der Fund des in Baden-Württemberg stark gefährdeten Auen-Glanzflachläufers (Agonum versutum) ist bemerkenswert. Der Rheinbergwald ist bislang nur rudimentär untersucht. Über die Gestadekante geworfenen menschlicher Zivilisationsmüll und Gartenmüll schaden und bedrohen den Wald. Wie sich eine weitere Bebauung in Forchheim Nord auf den für die Sumpf- und Nassflächen im Rheinbergwald wichtigen Wasserhaushalt auswirkt, ist nicht untersucht. Auf unversiegelten Flächen können sich bei durchschnittlichen jährlichen Regenfällen von 700 bis 800 l/m2 bis zu zwei Millionen Liter Grundwasser bilden. Es ist eher unwahrscheinlich, dass eine großflächige Versiegelung an der geplanten Stelle keine Auswirkungen auf das Grundwasser und die Sickerquelle haben werden. Letztlich gefährden wir achtlos ein Naturdenkmal mit wertvollen Lebensräumen, bevor wir diese überhaupt auch nur ansatzweise untersucht, geschweige denn verstanden haben.

Mit den unmittelbaren Konsequenzen für den Artenschutz durch die Bebauung beschäftigen wir uns in der nächsten Folge.

Folge 5 – Arten schützen!

Fledermauskorridor musss bleiben

Uns liegen derzeit noch keine Ergebnisse einer artenschutzrechtlichen Prüfung des Plangebiets vor. Was wir jedoch unabhängig davon gesichert wissen, ist die enorme Bedeutung der Fläche für Fledermäuse. Dem europaweit streng geschützten Großen Mausohr dient das Gebiet als einer der allerletzten Korridore im Süden vor Karlsruhe. Die Fledermäuse nutzen den Korridor als Passage zwischen den Quartieren auf der Hardt und den Jagdgebieten in der Rheinniederung. Das Große Mausohr ist auf die bestehende Leitstruktur angewiesen. Eine Beeinträchtigung des Korridors durch die Bebauung oder zusätzliche Lichtquellen hätte fatale Konsequenzen. Neben der Funktion als Korridor für Fledermäuse ist das Gebiet auch als Futterquelle für Vögel von Bedeutung. Es stellt zudem ein potentielles Brutgebiet für Arten wie Bluthänfling und Goldammer dar, eventuell auch für Wendehals und Neuntöter. Unabhängig von der Gefährdung weiterer Arten wie zum Beispiel der Zauneidechse ist nur schwer nachvollziehbar, warum man bereits eine konkrete Planung über das gewünschte Baugebiet legt, bevor man über gesicherte und detaillierte Erkenntnisse zum Artenschutz verfügt, geschweige denn in der Lage ist, entsprechende Schutz- oder Ausgleichsmaßnahmen auch nur ansatzweise wirkungsvoll sicherzustellen.  Die große Eile, mit der in Rheinstetten regelmäßig und ohne Unterlass Baumaßnahmen durchgezogen werden, gefährdet nicht nur Tiere und Pflanzen, sie schränkt auch den Handlungsspielraum künftiger Generationen massiv ein.